Journalisten als Medientrainer? Ja doch!

Dürfen Journalisten nebenberuflich als Medientrainer tätig sein? Dürfen Journalisten als Kommunikationsprofis «auf der anderen Seite» arbeiten? Ich finde: Ja, sie dürfen. Dazu braucht es allerdings Transparenz, die Fähigkeit zur Selbstreflexion und einige Regeln.

 

Ja, dieser Text ist eine lange Rechtfertigung für meine eigenen beruflichen Tätigkeiten. Ich schreibe ihn, um bei künftigen Anfragen in dieser Sache einfach auf diesen Link verweisen zu können. Denn solche Anfragen kommen immer wieder:

«Kannst du das mit deinem Berufsethos vereinbaren?»

«Ist das nicht Betrug am Journalismus, wenn man den anderen hilft?»

Meine Antwort auf Frage 1 lautet: Ja, ich kann. Auf Frage 2: Nein, das ist es nicht.

Auf den folgenden Zeilen versuche ich zu begründen.

 

Lieber Journalisten als «PR-Profis»?

Ich stehe für ein partnerschaftliches Verständnis der Medienarbeit ein, ich propagiere die friedliche Koexistenz von PR-Abteilungen und Redaktionsbüros. Das tun andere Medientrainer nicht.

 

Ich habe schon diverse Medientrainings erlebt von PR-Profis oder Ex-Journalisten, in denen die gesamte Journalistenschar als eine Herde von lauter schwarzen Schafen gezeichnet wurde, in denen das ganze Medienverständnis auf den schlimmsten Fallbeispielen aus der Boulevard-Presse aufgebaut wurde. Wer in einer solchen Schulung gesessen hat, den überkommt ein kalter Schauder, wenn das Telefon klingelt und sich ein Journalist mit einer Anfrage meldet. Wer eine solche Schulung besucht hat, der beruft sich zuerst auf sein Aussage-Verweigerungsrecht und droht dann mit einem Medienanwalt, den es nicht gibt.

 

Das Resultat einer solchen Reaktion aber ist ein wütender Journalist, der auf Rache sinnt für die unwirsche Abweisung und die grosse Wahrscheinlichkeit eines sogenannten oder zumindest hergeschriebenen «PR-Debakels».

 

Fazit: Als (aktiver) Journalist unterrichtet man keine Tricks und Kniffs, wie man Journalisten «legen» kann. Man erzählt den Leuten nicht, wie sie «Medien für ihre Zwecke (miss-)brauchen können». Sondern man zeigt ihnen, wie Journalisten funktionieren, was sie brauchen, was sie tun. Man sagt den Leuten, welche Rechte sie haben, aber man sagt ihnen auch, dass sie diese im Normalfall niemals brauchen werden.

 

Kurz: Seriöse Journalisten wollen Partner auf der «anderen Seite». Und seriöse Journalisten brauchen auch keine Angst davor zu haben, dass die «andere Seite» ihre Rechte kennt. Deshalb brauchen seriöse Journalisten auch keine Angst zu haben vor Journalisten, die diese Rechte als Medientrainer vermitteln.

 

Transparenz

Natürlich funktioniert diese Gleichung nur dann, wenn sich die journalistischen Medientrainer an gewisse Regeln halten. Und dazu gehört vor allem Transparenz. Transparenz gegenüber seinen Kunden, aber auch gegenüber seinem Arbeitgeber.

 

Also: Ich sage meinen Kunden, dass ich als aktiver Journalist ein Interesse daran habe, dass sie mein Arbeitsumfeld kennen und mich in Zukunft zielgerichteter mit Informationen versorgen können. Ich erkläre ihnen auch, dass ich ihnen keine «Tricks» beibringen kann, weil ich unter solchen Tricksereien selber leiden könnte als Journalist.

 

Auf der anderen Seite weiss mein Arbeitgeber natürlich, dass ich eine nebenberufliche Tätigkeit ausübe (was ich gemäss Arbeitsvertrag darf), und dass ich mich darum bemühe, diese Tätigkeit auszuüben, ohne Beeinträchtigung meiner journalistischen Arbeit. Was uns direkt zur zweiten Bedingung führt.

 

Selbstreflexion und Selbstkritik

Natürlich muss ich meine Motive, meine Aussagen in Medientrainings, meine Kundenliste, überhaupt alles ständig kritisch hinterfragen. Man muss sich mit seinem eigenen Medienverständnis immer wieder bewusst auseinandersetzen. Das würde aber - das sei an dieser Stelle mal gesagt - auch vielen anderen Journalisten und PR-Profis immer wieder gut tun...

 

Die Fähigkeit zur Selbstreflexion schliesst natürlich auch mit ein, dass man als Journalist seine Kundschaft besonders sorgfältig auswählt. Ich nehme keine Mandate an von Behörden oder Firmen, mit denen ich als Journalist in Berührung kommen könnte. Oder aber ich mache meine Beziehung zu solchen Kunden in der Redaktion transparent und trete in den Ausstand, wenn es um die Berichterstattung über solche Firmen oder Behörden geht.

 

Kurz: Wer sich des Spagats zwischen Journalismus und Kommunikationsberatung bewusst ist, der kann Fallstricke sehr wohl verhindern. Wenn er denn gewillt ist, es zu tun.

 

Regeln

Regeln gibt es im Arbeitsvertrag mit meinem Arbeitgeber. Dieser schreibt vor, dass ich meine Arbeit nicht durch nebenberufliche Tätigkeiten beeinträchtigen darf, dass ich die Glaubwürdigkeit meines Arbeitgebers nicht untergraben darf.

 

Regeln gebe ich mir aber auch selber: Die Kundenliste ist sorgfältig ausgewählt, meine Unterrichtsinhalte bei Medientrainings sind sorgfältig auf ihre Kompatibilität mit meinem Medienverständnis abgestimmt. Bei jeder einzelnen Kundenanfrage stelle ich mir zuerst die Frage, die mir so oft gestellt wird: «Kann ich das mit meinem Beruf als Journalist vereinbaren?» Und nur wenn die Antwort «Ja» lautet, nehme ich den Auftrag an (es sind übrigens so oder so nicht sehr viele Mandate, da mir die Zeit dafür fehlt... weil ich als Journalist doch ziemlich engagiert bin).

 

Kurz: Ich halte mich an meine Regeln und an die meines Arbeitgebers.

 

Alles bestens also?

Nein, natürlich nicht. So einfach kann es ja nicht sein. Ich gebe zu: Es gibt Journalisten (auch bei meinem Arbeitgeber), die sich trotz meiner obigen Argumentation nicht einverstanden erklären können mit meiner Sicht der Dinge. Damit muss ich leben können.

 

Ich gebe zu: Es gibt schwarze Schafe. Vielleicht gibt es Journalisten, die durch ihre Arbeit als Medientrainer «bestechlicher» geworden sind. Ich kenne keine, aber ich kann es nicht ausschliessen.

Ich kenne aber sehr wohl Fälle, wo Journalisten ihre Tätigkeit als Medientrainer missbraucht haben. Sie haben Informationen von Kunden erhalten während der Kommunikationsberatung - und haben diese als Journalisten dann verwertet. Das geht natürlich auch nicht.

 

Wer als Journalist und Medientrainer tätig sein will, der muss seine Rollen stets und strikt trennen können. Das ist nicht immer einfach.

 

Aber: Warum überhaupt?

Vielleicht die spannendste Frage zum Schluss: Warum sollen Journalisten denn überhaupt für oder auf der «anderen Seite» arbeiten? Warum wollen sie das?

 

Klar, es gibt einen rein wirtschaftlichen Aspekt. Journalisten beneiden PR-Berater um ihre Stundenansätze. Es kann sich für Journalisten also wahrlich lohnen, ein Mandat der «anderen Seite» anzunehmen.

 

Aber es lohnt sich auch auf einer anderen Ebene: Wer als Journalist plötzlich die Seiten wechselt, der lernt sehr viel über sich selber und seine Tätigkeit. Das Feedback von ganz normalen Medienkonsumenten, das Feedback von Leuten, die täglich mit Journalistenanfragen konfrontiert werden, dieses Feedback ist mehr wert als manche Fortbildung im eigenen Medienhaus. Das ist - ehrlich - einer der Hauptgründe für mich, weshalb ich solche Medientrainings mache.

 

Es lohnt sich noch auf einer dritten Ebene: Jeder Mensch mit Medienverständnis hilft dem Journalisten bei seiner Arbeit. Ganz praktisch: Wenn Presseabteilungen den Redaktionsschluss kennen, wenn Presseabteilungen wissen, dass Radiostationen einen Interviewtermin nicht zwei Tage im voraus vereinbaren können, wenn Presseabteilungen wissen, dass TV-Interviews nicht am Telefon stattfinden können - das alles hilft im Journalisten-Alltag ungemein. Wenn ein Journalist also als Medientrainer tätig ist, dann hilft er sich selber und seinen Kollegen unter Umständen die Arbeit zu erleichtern.

 

Und dann gibt es noch einen Aspekt: Vielleicht will man ja nicht ewig Journalist bleiben. Nicht immer auf Draht sein, nicht ständig in hohem Tempo dem ewigen Nachrichtenfluss hinterher hecheln... Für den Ausstieg - vielleicht nach der übernächsten Sparrunde auf der eigenen Redaktion - ist ein aktives Netzwerk an Kunden ein grosser Vorteil.

Es ist halt so: Während die Redaktionen schrumpfen, bauen die PR-Abteilungen aus. Das gilt für die Anzahl Stellen, aber häufig auch für die Höhe der Saläre.

 

Kurz: Wenn Journalisten sich nach der «anderen Seite» sehnen, dann ist dafür vielleicht auch die Sparpolitik der Medienhäuser mitverantwortlich. Bei mir ist es glücklicherweise (noch) nicht so: Ich mach's, weil es mir Spass macht. Und weil ich es richtig finde.

 

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