Social Media ist nicht Sex

Anlässlich des Tages zum Datenschutz sagt eine Zürcher Mittelschullehrerin, die Schule könne die «Erziehungsaufgabe Social Media» nicht allein erfüllen. Das sei Sache der Eltern. Diese Aussage ist nicht nur illusorisches Wunschdenken, sondern schlicht falsch.

 

Ein Datenschützer besucht eine Schulklasse an der Kantonsschule Stadelhofen, begleitet von unzähligen Medienvertretern. Die Schule zeigt sich vorbildlich als Vermittlerin modernen Alltagswissens zu Facebook, Twitter, Whatsapp und so weiter. Doch der Radiobeitrag meines Kollegen in der Sendung «Echo der Zeit» von Radio SRF endet mit einer Ohrfeige: Die Geschichtslehrerin betont, die Schule könne natürlich nicht für die Ausbildung im Bereich soziale Medien verantwortlich sein. Das sei eine «Erziehungsaufgabe» und gehöre deshalb in das Pflichtenheft der Eltern.

 

Computer mit Maus
Kids nutzen Social Media: Die Schule entscheidet mit darüber, wie gefährlich diese Nutzung ist.

Diese Argumentation erinnert mich irgendwie an die Diskussionen zur sexuellen Aufklärung im Biologie-Unterricht. Schule und Eltern drücken sich um die Aufgabe und schieben sich gegenseitig die Verantwortung für diese Bildungsaufgabe zu. Doch es gibt grundsätzliche Unterschiede zwischen Social Media und Sex.

 

Eltern haben in der Regel ein mehr oder weniger natürlich erworbenes Basiswissen zum Thema Sexualität. Immerhin werden die meisten Menschen erst durch Sex zu Eltern. Da ist es also naheliegend, dass man zumindest bis zu einem gewissen Alter des Nachwuchses einen Wissensvorsprung hat. Und die eigenen Erfahrungen in diesem Bereich taugen oft durchaus als Basis für eine erste Wissensvermittlung. Kurz: Sexuelle Aufklärung im Elternhaus ist mit ein bisschen gutem Willen der Eltern durchaus machbar.

 

Diese Argumentation erinnert mich irgendwie an die Diskussionen zur sexuellen Aufklärung im Biologie-Unterricht. Schule und Eltern drücken sich um die Aufgabe und schieben sich gegenseitig die Verantwortung für diese Bildungsaufgabe zu. Doch es gibt grundsätzliche Unterschiede zwischen Social Media und Sex.

 

Eltern haben in der Regel ein mehr oder weniger natürlich erworbenes Basiswissen zum Thema Sexualität. Immerhin werden die meisten Menschen erst durch Sex zu Eltern. Da ist es also naheliegend, dass man zumindest bis zu einem gewissen Alter des Nachwuchses einen Wissensvorsprung hat. Und die eigenen Erfahrungen in diesem Bereich taugen oft durchaus als Basis für eine erste Wissensvermittlung. Kurz: Sexuelle Aufklärung im Elternhaus ist mit ein bisschen gutem Willen der Eltern durchaus machbar.

 

Social Media braucht (Medien-)Kompetenz

Wie bitte aber sollen Eltern ihre Zöglinge über Social Media und die dabei lauernden Datenschutzfallen aufklären? Wie soll «Daddy» seinem Jungen die richtigen Privacy-Einstellungen präsentieren, wenn er selber von seinem Zögling Nachhilfe bei Word und Excel benötigt? Wie soll Mami ihrer Tochter die Datenschutz-Bestimmungen in den AGB von Facebook erklären, wenn sie selber völlig hemmungslos jede Facette ihres Lebens in Wort und Bild im sozialen Netzwerk postet? Diese (erfundenen) Szenarien entsprechen meiner Erfahrung nach viel eher der Realität als ein Elternhaus voller Medienkompetenz und Technologie-Affinität.

 

Wer also von den Eltern in diesem Land erwartet, dass sie ihre Kinder im Bereich Social Media «ausbilden» oder «kontrollieren», um sie vor negativen Einflüssen oder Auswüchsen zu «schützen», der muss dringend in die Medienbildung der Schweizer Elternhäuser investieren. Ansätze dazu sehe ich bisher kaum.

 

Social Media (und mehr) gehört in die Schule

Auch an den Schulen fehlt es (wiederum meiner bescheidenen Erfahrung nach) noch massiv an der eigentlich notwendigen Medienkompetenz. Lehrer sind häufig (noch) nicht «digital natives» oder ausreichend «digital immigrants» und bekunden verständlicherweise Mühe, mit dem Tempo der technologischen Entwicklung Schritt zu halten. Trotzdem glaube ich, dass die Schule und die Schulbehörden wohl schneller in der Lage sind, sich und ihrem Personal das notwendige Wissen anzueignen als die grosse Masse der Elternhäuser (inklusive sogenannt «bildungsferne» Schichten).

 

Ganz abgesehen davon ist es sehr kurz gegriffen, wenn man eine bewusste Nutzung von Social Media als einfache «Erziehungsfrage» abtut. Als Erziehungsaufgabe sehe ich vielleicht die Vermittlung von generellen gesellschaftlichen Wertvorstellungen, die dann auch in den Postings auf sozialen Netzwerken natürlich durchschimmern. Wer eine «gute Erziehung» genossen hat, neigt also hoffentlich weniger zu vulgären Ausfälligkeiten oder Cybermobbing.

 

Als Erziehungsfrage kann man dann auch die generelle «Einbindung» von Medien im Alltag ansehen: Wie lange schaut ein Kind fern, wie lange surft ein Jugendlicher im Netz, wie wichtig sind virtuelle Computerspiele im Vergleich zu gesellschaftlichen Aktivitäten in der «realen» Welt? Eltern können also vielleicht noch massgeblich beeinflussen, wie viel Zeit ihr Nachwuchs auf Facebook verbringt. Aber die Frage, wie man Facebook «richtig» (im Sinne von vorsichtig, bewusst etc.) nutzt, das ist definitiv keine Erziehungsfrage, sondern eine Bildungsfrage.

 

Und Bildung wäre ja dann bekanntlich wieder die Kernkompetenz der Schule und nicht der Eltern.

 

Ein Anfang ist gemacht...

Meine Meinung ist klar: Die Medienkompetenz gehört in den Lehrplan der Schweizer Schulen. Und zwar nicht erst in der Mittelschule, sondern (in geeigneter Form) bereits in der Primarschule. Ob Medienkunde als separates Schulfach unterrichtet wird oder als Verbundsthema über verschiedene Fächer hinweg, das ist meines Erachtens zweitrangig. Wichtig ist: Die Schule muss sich der Thematik annehmen. Denn schliesslich lernt man ja für das Leben... und ein Leben ohne Social Media können sich heute nicht mehr nur Kinder kaum vorstellen.

 

Ein Anfang scheint gemacht: Zumindest schreibt die Nachrichtenagentur sda (zum Beispiel im Onlineportal blick.ch publiziert), dass der kantonale Datenschützer in Zürich sein Wissen gerne vermehrt in Schulklassen vermitteln würde - auch in der Primarschule.

Das ist ein Anfang. Aber es scheint noch einiges an Überzeugungsarbeit notwendig zu sein, bis alle Lehrerinnen und Lehrer die Medienkompetenz als eine Bildungsaufgabe ansehen, die in der Schule wahrgenommen werden muss.

 

Disclaimer: Der Autor Maurice Velati arbeitet bei Schweizer Radio und Fernsehen (SRF) als Radio- und Onlinejournalist. Zwei Jahre lang unterrichtete er Medienkunde an der Fachmittelschule (FMS) in Aarau. Er erteilt Medien-Schulungen (auch im Bereich Social Media).

 

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Kommentare: 3
  • #1

    Chelsey Didonna (Samstag, 04 Februar 2017 02:52)


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  • #2

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